Nach Wetterextremen wie Dürren oder Überschwemmungen steigt in gefährdeten Ländern das Risiko für gewalttätige Zusammenstöße – hierfür hat ein internationales Wissenschaftlerteam neue Belege gefunden. Gefährdet sind Länder mit einer großen Bevölkerung, politischer Ausgrenzung bestimmter ethnischer Gruppen und einem niedrigen Entwicklungsstand. Die Studie kombiniert globale statistische Analysen, Beobachtungsdaten und regionale Fallstudien, um neue Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger zu gewinnen.
„Verheerende Wetterextreme könnten mancherorts der Funke sein, der schwelende Konflikte aufflammen lässt – das ist eine beunruhigende Erkenntnis, denn solche Extreme werden zunehmen“, sagt Jonathan Donges vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Mit-Autor der jetzt in Global Environmental Change veröffentlichten Studie. „Die anhaltenden Treibhausgasemissionen aus fossilen Brennstoffen destabilisieren unser Klima, wenn sie nicht verringert werden. Eine der Auswirkungen sind häufigere und heftigere Wetterextreme. Unsere neue Studie liefert nun weitere wichtige Belege und erhärtet damit Konfliktanalysen, die wir in den letzten Jahren durchgeführt haben.“
„Ein Drittel aller Konfliktfälle in gefährdeten Ländern“ betroffen
Die Zahlen sind aufrüttelnd. „Wir stellen fest, dass bei fast einem Drittel aller Konflikte, die in den letzten zehn Jahren in gefährdeten Ländern ausgebrochen sind, zuvor innerhalb von sieben Tagen ein klimabedingtes Unglück stattgefunden hat“, sagt Mit-Autor Carl-Friedrich Schleußner von Climate Analytics in Berlin. „Das bedeutet nicht, dass verheerende Wetterextreme generell Konflikte verursachen. Aber sie erhöhen die Risiken eines Konfliktausbruchs.“ Letztlich sind Konflikte menschengemacht. Die Analyse konkreter Fälle, in denen solchen Naturunglücken Konflikte vorausgegangen sind zeigt, dass die meisten dieser Beobachtungen keine Zufälle sind, sondern wahrscheinlich durch kausale Zusammenhänge verbunden sind – das ist eine der wichtigsten neuen Erkenntnisse.
In Mali beispielsweise kam es 2009 zu einer schweren Dürre, in deren Folge der militante Al-Qaida-Arm im Islamischen Maghreb die daraus resultierende Staatsschwäche und die Verzweiflung der Bevölkerung vor Ort ausnutzte, um Kämpfer zu rekrutieren und ihr Einsatzgebiet auszuweiten. Weitere Beispiele sind China, die Philippinen, Nigeria und die Türkei. Die bei weitem meisten Fälle von Verbindungen von verheerenden Wetterextremen und gewaltsamen Konflikten aber gibt es in Indien. Das überraschendste Ergebnis der Studie war, erklärt Ko-Autor Michael Brzoska von der Universität Hamburg, dass der dominierende Faktor nicht die Unzufriedenheit der betroffenen Bevölkerung ist, sondern zusätzliche Gelegenheiten für bewaffnete Gewalt aufgrund der krisenhaften Situation.
Allen ist geholfen, wenn Gesellschaften integrativer und wohlhabender werden
„Klimadesaster können wie ein ‚Bedrohungsmultiplikator‘ für gewaltsame Konflikte wirken“, erklärt Tobias Ide von der Universität Melbourne. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass nur jene Länder anfällig für Konfliktausbrüche im Nachgang von Naturkatastrophen sind, die eine große Bevölkerung aufweisen, in denen ethnische Gruppen politisch ausgegrenzt werden und die auf einem relativ niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstand sind. Ide kommt zu einem optimistischen Schluss: „Um die Sicherheit in einer sich erwärmenden Welt zu erhöhen, wäre es auf jeden Fall richtig, wenn Gesellschaften sozialer werden, also integrativer und wohlhabender.“
[DE] 02. April 2020 – Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
www.pik-potsdam.de