Schon am ersten Tag im Amt erreicht den neuen Landwirtschaftminister Cem Özdemir ein dringender Appell europäischer Umweltverbände: Sie bitten ihn, sofort im Europäischen Rat zu intervenieren, weil sie befürchten, dass bereits am Freitag ein verwässerter Reformvorschlag zur Erfassung landwirtschaftlicher Daten durchgewunken wird, der die Pläne für mehr Transparenz bei Pestizideinsätzen zunichte macht. In einem offenen Brief fordern 17 Verbände, darunter das Umweltinstitut München, der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der WWF, den Gesetzesentwurf nochmals zu prüfen und so zu gestalten, dass in Zukunft transparent ist, welche Pestizide wann, wo und in welchen Mengen verwendet wurden.
Im Rahmen der europäischen Farm-to-Fork-Strategie soll der Pestizideinsatz in der EU bis 2030 um die Hälfte reduziert werden. Doch ohne verlässliche und öffentlich zugängliche Daten zum tatsächlichen Pestizideinsatz in der Landwirtschaft ist eine Reduktionsstrategie kaum sinnvoll umzusetzen. Die laufende EU-Reform der Statistiken zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und zur landwirtschaftlichen Erzeugung (Statistics on agricultural input and output, SAIO) ist dabei von zentraler Bedeutung. Denn das EU-Regelwerk zur Erhebung landwirtschaftlicher Statistiken soll Referenzwerte für die europäische Pestizidreduktionsstrategie ermöglichen. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll damit die rechtliche Grundlage geschaffen werden, um Pestizideinsätze zukünftig zentral zu erfassen und vom statistischen Amt der EU (Eurostat) auswerten zu lassen.
Aus dem Protokoll eines Treffens der Arbeitsgruppe Statistik unter der Slowenischen Ratspräsidentschaft ist zu erfahren, dass unter den EU-Mitgliedsstaaten derzeit noch Inhalte der Reform abgestimmt werden, und dass die Slowenische Ratspräsidentschaft plant, die Ratsposition noch vor dem baldigen Ende ihrer Amtszeit zu finalisieren. Dies könnte bereits am kommenden Freitag, dem 10. Dezember im Rahmen des Sonderausschuss Landwirtschaft (SCA) oder bei einem Ratstreffen am 12. oder 13. Dezember geschehen.
In den Dokumenten zum Stand der Verhandlungen finden sich allerdings etliche – teilweise auf Vorschläge der letzten deutschen Bundesregierung zurückgehende – Verwässerungen, die jede sinnvolle Überwachung der in der Farm-to-Fork-Strategie festgelegten Ziele verhindern und damit die Strategie selbst sabotieren.