Knapp 300.000 Bürger:innen der Europäischen Union fordern, die ersten Freiland-Experimente mit gentechnisch veränderten Gene-Drive-Organismen durch ein globales Moratorium zu unterbinden. Die in der europäischen „Stop Gene Drive“-Kampagne organisierten Verbände Save Our Seeds, die Aurelia Stiftung und das Umweltinstitut München haben heute in Berlin eine entsprechende Petition an Umweltministerin Steffi Lemke übergeben. Mit dem Gentechnikverfahren Gene Drive könnten zukünftig wildlebende Arten manipuliert oder sogar ganz ausgerottet werden – mit nicht absehbaren Folgen für die Ökosysteme.
Gene Drives werden mit Hilfe des neuen Gentechnikverfahrens CRISPR-Cas hergestellt. Sie können ganze Populationen von Tieren und Pflanzen in der Natur gentechnisch verändern oder auch ausrotten. Der sogenannte Gene Drive setzt Grundprinzipien der Evolution außer Kraft und erzwingt die Vererbung einer genetischen Eigenschaft an sämtliche Nachkommen. Damit wird eine gentechnische Kettenreaktion ausgelöst, die erst dann aufhört, wenn alle Individuen der betroffenen Tier- oder Pflanzenart diese gentechnische Veränderung in sich tragen – oder aber ausgerottet worden sind. Damit sollen zum Beispiel krankheitsübertragende Insekten, invasive Arten oder so genannte Ernteschädlinge in der industriellen Landwirtschaft bekämpft werden.
Getestet wurden Gene Drives bislang ausschließlich im Labor. Nun möchte das Forschungskonsortium ‚Target Malaria‘ im westafrikanischen Burkina Faso erstmals Gene Drives in die Natur freisetzen. Das Ziel: Eine Malaria übertragende Mückenart soll ausgerottet werden. Doch was vielversprechend klingt, birgt enorme Risiken: Einmal in die Natur freigesetzt, können Gene Drives weder zurückgeholt werden noch ihre weitere Entwicklung und Ausbreitung kontrolliert werden. Wenn sich Gene-Drive-Organismen ausbreiten, könnten sie das ohnehin rasende Artensterben noch weiter beschleunigen.
Bei der Übergabeaktion mit Umweltministerin Lemke auf dem Leipziger Platz in Berlin stellte eine Installation aus riesigen kippenden Dominosteinen anschaulich die Risiken dar, die das Gene-Drive-Verfahren birgt. „Eine durch Gene Drive Organismen ausgelöste gentechnische Kettenreaktion könnte ganze Ökosysteme destabilisieren und im Extremfall kollabieren lassen. Jede Gene Drive Freisetzung – und sei es „nur“ zu Versuchszwecken – kann unabsehbare und irreversible Folgen für die durch Klimawandel und Insektensterben geschwächten Bestäuber- und Nahrungsnetze haben. Wir brauchen dringend ein weltweites Gene Drive Moratorium!“ warnt Bernd Rodekohr, Projektleiter „Schützt die Biene vor Gentechnik“ bei der Aurelia Stiftung.
„Gene-Drive-Organismen kennen grundsätzlich keine Grenzen und können sich weltweit ausbreiten,“ sagt die Koordinatorin der Stop-Gene-Drive-Kampagne von SOS, Mareike Imken. „Bisher verfügt die Weltgemeinschaft weder über ausreichendes Wissen noch über verbindliche internationale Vereinbarungen, nach denen ein derart fundamentaler, unumkehrbarer Eingriff in die Natur geregelt werden kann.“
Der mögliche Einsatz von Gene Drives steht auf der Tagesordnung der 15. Vertragsstaatenkonferenz der Vereinten Nationen zum Schutz der Artenvielfalt (UN CBD), die im Herbst in China geplant ist. Die Umweltminister:innen der EU legen ihre gemeinsame Position dazu im Juni fest.
Sophia Guttenberger vom Umweltinstitut München fordert: „Anstatt durch die gentechnische Veränderung wildlebender Arten russisches Roulette mit der Evolution zu spielen, müssen wir das bereits jetzt rasende Artensterben endlich stoppen, indem wir die Widerstandfähigkeit unserer Ökosysteme stärken und aufhören, sie überall auf der Erde zu zerstören.“
Umweltministerin Steffi Lemke sagte bei der Petitionsübergabe: „Ich glaube, dass sich die Menschheit und auch die Wissenschaft mit Gene Drives überschätzen würde. Deshalb werde ich beim Ministerrat im Juni natürlich versuchen eine Position zu erreichen, die sich am europäischen Vorsorgeprinzip orientiert.“
Umweltinstitut München e.V.
www.umweltinstitut.org