An aerial image of the surroundings of Tefé, impacted by the severe drought. In the beginning of October, Greenpeace Brazil first field trip as part of the Wings of Emergency 2023 project in Tefé, Amazonas state, taking humanitarian aid to the people most impacted by the historic drought in the Amazon Rainforest and offering logistic support to organizations researching the impacts on local fauna. © Marizilda Cruppe Greenpeace
An aerial image of the surroundings of Tefé, impacted by the severe drought.
In the beginning of October, Greenpeace Brazil first field trip as part of the Wings of Emergency 2023 project in Tefé, Amazonas state, taking humanitarian aid to the people most impacted by the historic drought in the Amazon Rainforest and offering logistic support to organizations researching the impacts on local fauna.
© Marizilda Cruppe Greenpeace

Nach einem ereignisreichen Jahr zieht Greenpeace Österreich Umweltbilanz: 2023 war ein Jahr der Extreme. Es ist laut dem EU-Dienst Copernicus das heißeste Jahr seit 125.000 Jahren. Wetterextreme wie Starkregen und Hitze – verstärkt durch die sich zuspitzende Klimakrise – betrafen Millionen Menschen und verwüsteten weltweit ganze Landstriche. Zu den heurigen Verlierern zählt einmal mehr der Amazonas, in dem seit Monaten eine Jahrhundertdürre herrscht.Auf EU-Ebene wurden 2023 Rückschläge bei der Pestizidreduktion verzeichnet: Im November stimmte eine Mehrheit der EU-Abgeordneten gegen das Gesetz zur EU-Pestizidreduktion. Ebenso beschloss die EU-Kommission, das krebserregende Spritzmittel Glyphosat um weitere zehn Jahre zuzulassen.  Doch 2023 wurden auch einige Umwelterfolge erzielt: Die UN-Staatengemeinschaft unterzeichnete nach langjährigen Verhandlungen das Hochseeschutzabkommen. Das EU-Renaturierungsgesetz schaffte es trotz großer Hürden in die finalen Verhandlungsrunden, ebenso vereinbarte die EU die Ökodesign-Verordnung, die die Langlebigkeit von Produkten fördern soll.

Für das Jahr 2024 fordert Greenpeace eine ambitionierte und wirksame Umwelt- und Klimapolitik auf allen Ebenen, von der österreichischen Bundes- und den neun Landesregierungen über die EU-Kommission bis zur UN. Gesetze und Abkommen müssen 2024 endlich beschlossen und umgesetzt werden, und dürfen nicht länger verzögert oder verwässert werden. Dazu zählt in Österreich etwa die nationale Bodenschutzstrategie mit einem verbindlichen Zielwert, auf EU-Ebene muss ein starkes EU-Waldschutzgesetz umgesetzt werden und auf UN-Ebene das internationale Plastikabkommen.

„Eine beispiellose Dürre im Amazonas, Starkregen in Libyen und Brasilien, Waldbrände in Griechenland, Hitzewellen unter anderem in Indien und China, desaströse Überflutungen weltweit: 2023 zeigte die Klimakrise global ihre Zähne. Umso wichtiger ist, dass wir kompromisslos und mutig – und Biodiversitätsschutz vorantreiben. 2023 sind bereits einige wegweisende Entscheidungen für die Umwelt gefallen. So wurde auf der Weltklimakonferenz in Dubai erstmals von allen Staaten anerkannt, dass wir uns von fossilen Energien abwenden müssen. Das ist ein guter erster Schritt. Nun müssen Politikerinnen und Politiker weltweit auch tatsächlich  den Turbo beim Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas einlegen“, sagt Marc Dengler, Klima- und Energieexperte bei Greenpeace.

=== Umwelt-Rückschritte 2022 ===

Dürre im Amazonas
Im größten Regenwald des Planeten herrschte 2023 die schlimmste Trockenheit seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Pegelstand des Amazonas-Flusses sank um 17 Meter. Durch die niedrigen Flusspegel waren im gesamten brasilianischen Amazonasgebiet hunderte Flussgemeinden isoliert und nur eingeschränkt mit Trinkwasser versorgt. Auch Pflanzen und Tiere – unter ihnen der rosa Flussdelfin – litten unter Wassermangel. Greenpeace Brasilien lieferte per Flugzeug Lebensmittel, Wasser und andere grundlegende Ressourcen an die betroffenen Gemeinden im Amazonasgebiet.

Überflutungen in Slowenien, Kärnten und Italien
Nicht nur der Amazonas war 2023 der Schauplatz von extremem Wetter: Starkregen verwüstete Landstriche in Libyen und Brasilien, Brände wüteten unter anderem auf der Hawaii-Insel Maui, in Kanada und im mediterranen Raum und schwere Überflutungen trafen unter anderem Kärnten, Slowenien und Italien. Zahlreiche italienische Dörfer und Städte wie Grado, Lignano und Venedig waren von Adria-Hochwasser betroffen, in Slowenien wurden mehrere Dörfer durch Überflutungen von der Außenwelt abgeschnitten und auch in Kärnten war die Feuerwehr tagelang im Dauereinsatz.

Dammbruch in der Ukraine
Im Juni 2023 wurde der Staudamm von Nowa Kachowka in der Ukraine zerstört – mit gravierenden humanitären und ökologischen Folgen. Die Fluten rissen Menschen, Tiere und ganze Häuser mit, das Trinkwasser wurde verseucht, das Ökosystem zerstört. Große Teile der Südukraine sind von der Wasserversorgung durch den Stausee abhängig. Der Dammbruch – Indizien nach von Russland bewusst herbeigeführt – hat den Alltag der Bevölkerung vor Ort dramatisch verändert: Die Menschen müssen nun neben dem Krieg auch einen akuten Wassermangel verkraften.

Mikroplastik-Belastung
Weltweit steigt die Mikroplastikbelastung – internationale Forscher:innen haben die kleinen Teilchen 2023 in Wolken, in Ackerböden und in Organen wie dem Herz oder dem Gehirn gefunden. Greenpeace hat im Sommer sieben Badeseen in Österreich auf Mikroplastik untersucht. Auch hier wurden im Labor in allen Wasserproben Mikroplastik gefunden. Trotz der immensen Verschmutzung will die Plastikindustrie die jährliche Produktion bis 2040 sogar verdoppeln. Die UNO-Staaten arbeiten aktuell an einem globalen Abkommen gegen die Plastikkrise, das 2024 abgeschlossen werden soll.

Bodenschutz-Blockade in Österreich
Bodenschutz in Österreich wurde 2023 heiß diskutiert. Nachdem der federführende ÖVP-Minister Norbert Totschnig eine wirkungslose Bodenschutzstrategie ohne klares Bodenschutz-Ziel durchwinken wollte, konnte das dank des Drucks aus der Zivilgesellschaft verhindert werden. Doch der Gemeindebund und zahlreiche Bundesländer wie Oberösterreich, Niederösterreich und die Steiermark blockieren weiterhin ambitionierten Bodenschutz. Dabei zeigen nicht nur die Rekord-Verbauung in Österreich, sondern auch die dubiosen -Deals mancher Entscheidungsträger:innen klar auf, dass Bodenverbrauch in Österreich dringend schärfer reguliert werden muss.

Wiederzulassung von Glyphosat für zehn weitere Jahre
Im November 2023 beschloss die EU-Kommission, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen – nachdem sich davor die Mitgliedsstaaten bei der Abstimmung auf keine gemeinsame Position zu Glyphosat einigen konnten. Glyphosat ist ein Totalherbizid: Es vernichtet Beikräuter und raubt Bestäubern und anderen ihre Futterquellen. Das Spritzmittel tötet aber nicht nur Pflanzen an der Oberfläche ab, sondern wirkt auch auf Pilze und Mikroorganismen im Boden. Das Pflanzengift greift daher in das Ökosystem Boden ein und beeinträchtigt – besonders wenn das Mittel öfter genutzt wird – nachweislich dort angesiedelte Lebewesen. Ebenso kann Glyphosat massive Schäden in Gewässern anrichten und wirkt toxisch auf ohnehin bereits gefährdete Amphibien. Glyphosat ist laut WHO außerdem möglicherweise krebserregend, kann Studien zufolge neurologische Erkrankungen fördern, das Hormonsystem sowie die Fruchtbarkeit schädigen und schwere Augenschäden verursachen.

Gemeinnützigkeitsgesetz
Im Dezember wurde das Gemeinnützigkeitsgesetz in Österreich reformiert: Das grundsätzlich begrüßenswerte Paket enthält jedoch auch Passagen, die grobe Einschränkungen für aktivistisch agierende Organisationen mit sich bringen. Denn Verwaltungsübertretungen können jederzeit zum Entzug der Spendenabsetzbarkeit und damit zum finanziellen Ruin führen. So können durch das neue Gesetz in Zukunft Finanzbeamt:innen ohne ein ordentliches, gerichtliches Verfahren mit einem Federstrich die Existenz von gemeinnützigen Vereinen zerstören. Führende Sozial- und Umweltschutzorganisationen sowie Spitzenjurist:innen wie Irmgard Griss und der ehemalige Justizsprecher der ÖVP, Michael Ikrath, warnen vor einem Angriff auf die Zivilgesellschaft durch die steuerliche Hintertür.

=== Wegweisende Umwelterfolge 2023 ===

Hochseeschutzabkommen
Nach fast zwei Jahrzehnten Verhandlungen haben sich die Vereinten Nationen im März endlich auf ein Abkommen zum Schutz der Hochsee geeinigt. Der Vertrag ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Zeichen dafür, dass Umweltschutz über Profitinteressen und Geopolitik triumphieren kann. Mit dem Abkommen wurden die Rahmenbedingungen geschaffen, um das 30×30-Ziel zu erreichen. Dieses besagt, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der Meere unter starken Schutz gestellt werden müssen. Nur so können sie weiterhin ihrer wichtigen Funktion als Klimaregulierer und Artenschützer nachkommen. Im September wurde das Abkommen bei der UN-Generalversammlung von über 80 Staaten, darunter Österreich, unterzeichnet. Nun muss der Vertrag rasch ratifiziert werden, damit die vereinbarten Ziele zeitnah umgesetzt werden.

Renaturierungsgesetz
Im Jahr 2021 stellte die Europäische Umweltagentur fest, dass 81 Prozent der geschützten Ökosysteme in der EU in einem schlechten oder mangelhaften Zustand sind. Mit dem Renaturierungsgesetz wurde 2023 eine Rechtsvorschrift auf den Weg gebracht, mit der bis 2030 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU und bis 2050 alle geschädigten Gebiete wiederhergestellt werden sollen. Das Gesetz ist ein zentraler Teil des „Green Deals“, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. Trotz der Versuche der Europäischen Volkspartei (EVP), das Naturschutzgesetz zu verhindern, schaffte es bisher alle Hürden. Das Europäische Parlament wird nun in seiner Plenarsitzung im Februar 2024 über das Gesetz abstimmen , gefolgt von der Genehmigung durch die nationalen Regierungen im März.

EU-Kommission kündigt Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag an
Nachdem bereits Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich und Spanien ihren Ausstieg beschlossen hatten, kündigte die EU-Kommission im Juli an, geschlossen aus dem Energiecharta-Vertrag auszusteigen. Der 1998 verabschiedete Vertrag war in die Kritik geraten, weil er es fossilen Konzernen ermöglicht, gegen Maßnahmen zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu klagen und so ambitionierte Klimapolitik zu verhindern. So berief sich das schwedische Energieunternehmen Vattenfall bei seiner Klage gegen den deutschen Atomausstieg auf den Energiecharta-Vertrag.

Ökodesign-Verordnung: Vernichtung von neuwertiger Kleidung wird verboten
Nach jahrelanger Arbeit von Greenpeace und anderen Organisationen hat die EU dieses Jahr eine Verordnung verabschiedet, die künftig die Vernichtung von Neuwaren wie Kleidung und Schuhen verbietet. In Österreich ist jedes vierte Paket eine Retoure, Recherchen zeigen, dass unverkaufte Waren teilweise entsorgt werden. Mit der neuen Ökodesign-Verordnung verbietet die EU diese Ressourcenverschwendung. Zudem werden Vorgaben zu Langlebigkeit und Reparierbarkeit gemacht, um das umweltschädliche Wegwerf-Geschäftsmodell der Modeindustrie zu stoppen.

Greenpeace in Zentral- und Osteuropa
www.greenpeace.at