Bremerhaven, den 27. Juni 2013. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature veröffentlichen AWI-Forscher Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner und sein Kollege Dr. Sam Dupont (Universität Göteborg, Kristineberg, Schweden) einen Beitrag mit dem Titel: „Get ready for ocean acidification“ (Bereitet euch auf die Ozeanversauerung vor). Sie fassen den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammen und zeigen Handlungsbedarf für die Zukunft auf.
Der Appell von Dupont und Pörtner: Ein höheres Maß an interdisziplinärer Forschung ist notwendig. Zwar sei es wichtig zu verstehen, wie einzelne Organismen oder Arten auf Veränderungen im Ozean reagierten. „Wir müssen jedoch vor allem die übergeordneten Prinzipien genauer untersuchen, beispielsweise die Veränderungen im Zusammenleben verschiedenster Arten von Tieren, Pflanzen und Bakterien im Ökosystem oder die Beteiligung von Organismen an Veränderungen biogeochemischer Prozesse“, so der Leiter der Sektion „Integrierte Ökophysiologie“ am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Und auch Handlungsempfehlungen geben die beiden Forscher: „Kurzfristig könnten es weniger Überfischung, geringere Eutrophierung und verringerte Schadstoffeinträge den Lebewesen im Meer erleichtern, dem Stress durch zunehmende Versauerung und steigende Temperaturen zu begegnen. Auf lange Sicht kann jedoch nur die Verringerung des Kohlendioxid-Gehalts in der Atmosphäre die Ozeanversauerung und ihre Auswirkungen lindern – am besten durch die Verringerung von Kohlendioxid-Emissionen“, so Pörtner.
Hintergrund Ozeanversauerung:
Die Ozeane entziehen der Luft jährlich mehr als 25 Prozent des Kohlendioxids, das durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht. Seit Beginn der industriellen Revolution haben sie rund die Hälfte dieses Treibhausgases aufgenommen. Doch die Ozeane können nicht folgenlos unbegrenzte Menge an Kohlenstoff speichern. Wie alle Gase löst sich Kohlendioxid in Wasser, anders als die meisten Gase reagiert es jedoch auch damit – zu Kohlensäure. Je mehr Kohlendioxid in die Meere eindringt, desto mehr Kohlensäure bildet sich. Dieser Vorgang wirkt sich auf die Chemie des Meerwassers aus und senkt seinen pH-Wert.
Vor allem Organismen mit Kalkschalen und Skeletten, wie Korallen, Muscheln und Krebse leiden unter zunehmender Ozeanversauerung. Mit steigendem CO2-Gehalt des Meerwassers wird die Kalkbildung immer schwieriger, die Kalkschalen beginnen sogar sich aufzulösen. Wie sich die Ozeanversauerung auf einzelne Lebewesen auswirkt, zieht weitreichende Folgen für das gesamte Ökosystem nach sich: angefangen von der Nahrungskette bis hin zum Kohlenstoffgehalt in der Atmosphäre. Kalkbildende Algen beispielsweise bauen durch die Photosynthese Biomasse auf. Zusätzlich speichern sie Kohlenstoff in den Kalkschuppen ihres Gehäuses. Sterben sie, sinken sie in die Tiefe. Dabei wirkt das schwere Kalkmaterial als Ballast und ermöglicht den Transport von mehr Kohlenstoff in größere Tiefen. Ein Teil des Kohlenstoffs erreicht den Meeresboden und bildet über geologische Zeiträume Kalkablagerungen wie etwa die Kreidefelsen von Rügen. Greift die Ozeanversauerung jedoch die Kalkgehäuse der Algen an, wird der Ballasteffekt vermindert und die Kohlenstoff-Speicherfunktion der Ozeane geschwächt.
Und auch höher entwickelte Meeresbewohner wie Fische reagieren auf niedrigere pH-Werte. Das saurere Wasser beeinflusst ihre Entwicklung vor allem in den ersten Lebensstadien – also dann, wenn der Fischnachwuchs im Ei und als Larve noch keine Mechanismen entwickelt hat, die ihn vor der Ozeanversauerung schützen.
(Bereitet euch auf die Ozeanversauerung vor – Kommentar von AWI-Forscher und schwedischem Kollegen in Fachzeitschrift Nature)
[DE] 27. Juni 2013 – Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschungwww.awi.de