Berlin. Angesichts der Untätigkeit der Bundesregierung bei der Umsetzung der für die Bürgerenergie so wichtigen Artikel in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie fordern zahlreiche Verbände und Unternehmen ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland. Deutschland hatte bis Ende Juni Zeit, die europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie umzusetzen. Diese Frist hat die Bundesregierung verstreichen lassen. Das ist ein Rückschlag für Eigentümer*innen und Mieter*innen, die gemeinsam eine Solaranlage betreiben wollen. Auch für regionale Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften, die sich aus eigenen Solar- und Wind-Anlagen versorgen wollen, ist das ein schlechtes Zeichen. Denn der rechtliche Rahmen fehlt.
Laut Bundeswirtschaftsministerium bedarf es keiner weiteren Umsetzungsschritte. Zur Begründung heißt es: Die Richtlinie sei im deutschen Recht vollständig umgesetzt. Diese Fehleinschätzung nehmen das Bündnis Bürgerenergie (BBEn), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie eine breite Allianz aus Verbänden und Unternehmen nicht länger hin.
Auf der Grundlage einer aktuellen Studie und einer rechtlichen Stellungnahme haben die Verbände nun Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht und fordern ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland.
Gunnar Harms, Vorstand des BBEn: „Die Energiewende braucht dringend neuen Schwung. Dazu muss es allen Bürger*innen einfach möglich sein, erneuerbare Energie zu erzeugen und individuell oder gemeinsam zu nutzen.“
Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND: „CDU und SPD beteuern ihr Bestreben, den Klimaschutz voranzutreiben. Dafür müssen die erneuerbaren Energien endlich um ein Vielfaches schneller ausgebaut werden. Das Gegenteil ist der Fall, weiterhin wird verzögert und gebremst. So auch bei der Umsetzung der EU-Erneuerbaren Richtlinie, welche die Chance für eine neue Ausbau-Dynamik ergeben hätte.“
Rechtsanwalt Philipp Boos hat im Auftrag des Bündnis Bürgerenergie untersucht, ob die Bürgerenergie-Rechte durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 umgesetzt wurden. Im Gegensatz zu der Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums belegt sein Gutachten: Die gemeinsame Eigenversorgung genießt bisher nicht die gleichen Rechte wie die individuelle. Die im EEG geforderte Personenidentität zwischen Anlagenbetreiber*in und Stromverbraucher*in verhindert, dass gemeinsam handelnde Eigenversorgende eine Anlage zur Eigenversorgung auch gemeinsam betreiben können. Zudem hat der Gesetzgeber es versäumt, die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft nach Artikel 22 der Richtlinie zu definieren. Auch wurde ihnen nicht das Recht zugesprochen, gemeinsam erzeugte Energie untereinander zu teilen (Energy Sharing), um sich aus eigenen Anlagen zu versorgen.
Neben dieser rechtlichen Stellungnahme haben das BBEn und der BUND eine energiewirtschaftliche Studie zur Umsetzung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie in Auftrag gegeben. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des Instituts für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES) konnten in ihrer Studie die Umsetzungsdefizite bestätigen. Darüber hinaus formulierten sie Lösungsvorschläge, wie der Bürgerenergie bei richtlinienkonformer Umsetzung neuer Rückenwind verschafft und die Akzeptanz sowie der Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland gefördert werden können. Dazu orientierten sie sich auch an Best-Practice-Beispielen aus anderen EU-Staaten.
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) – Friends of the Earth Germany
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