Gesellschaftliche Kippmechanismen können den Durchbruch zur Klimastabilisierung auslösen

FridaysForFuture am 29. März 2019 in Berlin ”Our house is on fire“ © Leonhard Lenz / CC0 1.0 Universal (CC0 1.0) Public Domain

Um die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2°C zu begrenzen, müssen die Gesellschaften weltweit bis spätestens 2050 ihre Treibhausgasemissionen auf Null reduziert haben. Dazu ist eine tiefgreifende globale Transformation der heutigen Energie- und Landnutzungssysteme notwendig. Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts bedeutet, dass die Treibhausgasemissionen ab heute alle zehn Jahre halbiert werden müssen. Ein interdisziplinäres Forscherteam hat jetzt geeignete gesellschaftliche „Kippmechanismen“ untersucht, welche in der Lage sein könnten, die hierfür notwendigen schnellen, dabei aber anschlussfähigen Veränderungen hin zu einer Klimastabilisierung auszulösen. In der US-Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) hat das Forscherteam insgesamt sechs sozio-ökonomische Kippelemente und damit verbundene gesellschaftliche Interventionen ausgemacht, durch welche ein Übergang zu einer tiefgreifenden globalen Dekarbonisierung mit der notwendigen Geschwindigkeit auf den Weg gebracht werden könnte.

Vom Energiesektor über die Finanzmärkte bis hin zu unseren Städten – wir haben gesellschaftliche Kippelemente und konkrete Kippinterventionen ausfindig gemacht, die eine schnelle Verbreitung von geeigneten Technologien, Verhaltensmustern und sozialen Normen auslösen könnten“, erklärt Leitautorin Ilona M. Otto, Soziologin am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Auf der Grundlage einer Expertenbefragung, eines Expertenworkshops und einer fundierten Literaturrecherche umfassen die untersuchten gesellschaftlichen Kippinterventionen die Abschaffung von Subventionen für fossile Energien bei gleichzeitiger Förderung der dezentralen Energieerzeugung; den Umbau zu treibhausgasneutralen Städten; ein Ende von Investments in Vermögenswerten, die mit der Nutzung fossiler Energien verbunden sind; die klare Benennung der moralischen Dimensionen der fossilen Energienutzung; deutlich verbesserte Klimabildung mit entsprechendem gesellschaftlichem Engagement; sowie eine durchweg transparente Offenlegung von Treibhausgasemissionen.

„Obwohl dies weder eine umfassende noch eine vollständige Liste ist, könnten diese Faktoren dazu beitragen, schnelle sozio-ökonomische Veränderungen anzustoßen und Narrative für eine dekarbonisierte Zukunft im Jahr 2050 zu entwickeln“, fügt Otto hinzu.

Divestment und klimaneutrale Stromerzeugung sind die wichtigsten kurzfristigen Treiber
Das stärkste kurzfristige Transformationspotenzial sehen die Forscherinnen und Forscher in Investitionsveränderungen an den Finanzmärkten weg von fossilen Energieträgern sowie in Systemen zur Energieerzeugung und -speicherung, wobei der Schwerpunkt auf der Nutzung bereits vorhandener treibhausgasneutraler Technologien liegen sollte, so die Wissenschaftler. Wenn Finanzströme weg von Unternehmen der fossilen Industrien und hin zu nachhaltigen Investitionen umgelenkt werden, könnte ein Kipppunkt an den Finanzmärkten erreicht werden – etwa wenn Nationalbanken und Versicherungen vor den globalen Folgen von sogenannten „gestrandeten Vermögenswerten“ warnen. „Dies könnte einen positiven Dominoeffekt auslösen“, sagt der zweite Leitautor und Physiker Jonathan Donges der PIK-Arbeitsgruppe „FutureLab Earth Resilience in the Anthropocene“.

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