Genau genommen ist „Unkraut“ ein Unwort. Passender ist „Beikraut“, “Wildkraut” oder “Begleitvegetation”, also Pflanzen die an Stellen wachsen, wo es von uns nicht unbedingt geplant oder gewollt ist. Das ist per se so nichts schlechtes, auch wenn Unerwünschtes oft entfernt werden muss, manchmal auch um wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden. Aber jedes Kraut hat seinen Sinn im Kreislauf der Natur.
Ein Hoch auf die Rebellen in Wiese, Wald und Feld
Am 28. März wird seit Anfang der 2000er-Jahre der „Tag des Unkrauts“ begangen, quasi ein Ehrentag der Ausgestoßenen und Missachteten unter den Pflanzen. An diesem Tag sollen all jene wilden und unangepassten Pflanzenrebellen gefeiert werden, die keinen Platz im penibel gestutzten englischen Garten haben. Seinen Ursprung hat dieser Tag in der Community der US-amerikanischen Garten-Blogger, wo er „Weed Appreciation Day“ heißt, und die so darauf aufmerksam machen wollten, dass nicht jede unerwünschte Pflanze automatisch auch unnütz ist.
Der Kampf gegen das “Unkraut”
Leider wird das sogenannte Unkraut aber hart bekämpft – sucht man im österreichischen Pflanzenschutzmittelregister nach Pestiziden gegen Beikräuter werden ganze 521 Mittel aufgelistet. Alleine 121 Produkte gibt es für Privatanwender im Haus- und Kleingarten. Im Jahr 2019 wurden laut Grünem Bericht insgesamt 1.150 Tonnen Unkrautvernichter in Österreich verkauft. Darunter auch 252 Tonnen des umstrittenen Glyphosats, dass von der WHO als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft wurde. Andere Herbizide wie etwa das fortpflanzungsschädigende Nervengift 2,4 D, das als Bestandteil des Entlaubungsmittels Agent Orange bereits im Vietnamkrieg negative Geschichte schrieb, stehen Glyphosat in ihrer Giftigkeit leider um nichts nach.
Wildkräuter sind wichtig für die Artenvielfalt
Im Sinne des Erhalts der Artenvielfalt sind Wildkräuter in der Regel aber sehr wertvoll, denn sie tragen wesentlich zur Förderung der Vielfalt bei. Das Verschwinden von Wildkräutern ist deshalb ein großes Problem, weil sie häufig wertvolle Pflanzen für gefährdete Insekten wie Bienen oder Schmetterlinge sind. Drei von fünf Farn- und Blütenpflanzen in Österreich stehen bereits auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, darunter auch ehemals häufige Acker-Beikräuter wie die Kornrade. Ausnahmen bilden hier eingeschleppte Arten, die sich invasiv ausbreiten und dabei heimische Arten verdrängen, wie etwa das Drüsige Springkraut oder der Japanische Staudenknöterich.
Löwenzahn, Brennessel und Co retten Bienen, Schmetterlinge – und Menschen
Der Löwenzahn hingegen, der zwar selbst überhaupt nicht auf tierische Bestäuber angewiesen ist, da er auch ohne sie Samen bilden kann, bietet aufgrund seiner langen Blütezeit tierischen Besuchern viel Nahrung. Die Samen der „Pusteblume“ sind wiederum bei Vögeln wie dem Stieglitz oder dem Distelfink beliebt.
Für die Raupen von rund 50 Schmetterlingsarten dient die Brennnessel als Nahrungsquelle, wie zum Beispiel für Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge und Landkärtchen. Sie ist somit deutlich wertvoller für das Überleben der Falter als etwa der optisch imposantere Schmetterlingsflieder.
Diese Beispiele zeigen, dass die Toleranz gegenüber Beikräutern eine wichtige Rolle beim Erhalt der Artenvielfalt spielt. Wollen wir unsere 700 heimischen Bienenarten oder unsere 4000 Schmetterlingsarten, von denen ungefähr die Hälfte gefährdet ist, schützen, braucht es mehr Natürlichkeit in unseren Landschaften, in unseren Gemeinden und unseren Gärten. Beikräuter nicht mit aller Macht zu bekämpfen ist ein erster Schritt dazu.
Wohlschmeckend und heilsam
Außerdem profitiert auch der Mensch direkt von Beikräutern, denn viele Wildkräuter sind essbar und einige haben auch heilende Wirkung. Aus ihnen lassen sich schmackhafte Salate, gesunde Tees und Gewürze oder sogar Salben herstellen. Bei Halsschmerzen hilft etwa der Spitzwegerich besonders gut – ein häufiges Beikraut, das so gesund ist, dass es auch schon zur Heilpflanze des Jahres gekürt wurde. Weitere Beispiele für essbare Beikräuter sind Ackersenf, Ackerdistel, Brennnessel, Gänseblümchen, Giersch, Gundelrebe, Hirtentäschel, Löwenzahn, Melde und Schafgarbe.
Für die Gartenarbeit können Beikräuter ebenfalls nützlich sein. Kräuterauszüge von Brennnessel, Kamille, Rainfarn oder Ackerschachtelhalm schützen ihre Gemüse- und Zierpflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge.
Wilde Ecken sind wichtig für jeden Garten
„In jedem Garten sollte es Bereiche geben, in denen auch Wildkräuter ungestört wachsen dürfen. Diese wilden Ecken, auch wenn sie nur klein sind, sind wertvolle Verstecke und Kinderstuben für gefährdete Tierarten wie etwa Schmetterlinge. Deshalb setzen wir unser mit unserer Initiative Nationalpark Garten dafür ein, wieder mehr Natur in unsere Gärten und Gemeinden zu bringen.” so Dominik Linhard, Biologe und Leiter des Projekts Nationalpark Garten bei GLOBAL 2000.
Wer also im persönlichen Alltag etwas für den Schutz der Artenvielfalt tun möchte, kann damit beginnen, mehr Beikräuter zu tolerieren und sich an der Initiative „Nationalpark Garten“ von GLOBAL 2000 beteiligen. Dabei errichtet die Umweltschutzorganisation gemeinsam mit österreichischen Natur-GartlerInnen ein landesweites Netzwerk an individuellen Schutzgebieten zur Schaffung von Lebensräumen für Bienen, Schmetterlinge, Eidechsen, Frösche und Co – und eben auch für mehr Wildkräuter.
Um Teil des Nationalpark Gartens zu werden, verpflichtet man sich zum Verzicht auf Pestizide, Kunstdünger und Torf in Gartenerden sowie zur Förderung der pflanzlichen und tierischen Vielfalt in seinem Garten. Alle TeilnehmerInnen können ihrem Garten, Balkon oder auch nur das Blumenkistel auf dem Fensterbrett, unter www.global2000.at/nationalparkgarten, in ein interaktive Österreichkarte eintragen. Die Aktion richtet sich neben Privatpersonen auch an Schulen, Vereine, Unternehmen und Gemeinden.
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000/Friends of the Earth Austria
www.global2000.at