GroKo: Was bringt der Koalitionsvertrag für Klima, Umwelt- und Tierschutz …?

Berlin, Reichstagsgebäude © Berthold Werner (Creative Commons CC BY-SA 3.0)

Stellungnahmen zum Koalitionsvertrag der Großen Koalition:

–  Bund für und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND),   NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.)   und   VIER PFOTEN – Stiftung für

 

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)

Koalitionsvertrag: GroKo verschleppt dringend notwendige sozial-ökologische Wende. Bürgerwunsch nach Klimaschutz und gesunden Lebensmitteln wird missachtet

Berlin: In einer ersten Bewertung des Koalitionsvertrags von Union und SPD sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „In zu vielen Politikbereichen siegt bei Union und SPD der kleinste gemeinsame Nenner. Die Chance auf eine sozial-ökologische Wende wird wieder einmal vertan. Einige wenige gute Ansätze können nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim , dem Verkehr und der weiterhin die Interessen einzelner Industriezweige wie der Kohle-, Auto- und der Agrarlobby Vorrang vor Menschen und Umwelt erhalten. Die GroKo setzt sich zwar die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung als Maßstab, flankiert diese aber nicht wirksam. So bleibt Nachhaltigkeit nur eine Worthülse. Eine GroKo werden wir daran messen, ob sie unverzüglich nach der Regierungsbildung mit effektiven Sofortmaßnahmen bei dringlichen Themen wie Klimawandel, Dieselskandal, Artensterben und Glyphosat-Ausstieg nachsteuert.“

Dramatisch sei, dass der Koalitionsvertrag auf konkrete Maßnahmen verzichte, mit der das Klimaziel 2020 noch erreicht werden könne. „Mit dem Beschluss, das Klimaziel für 2020 aufzuschieben, wird ein wesentliches Wahlversprechen ignoriert, für das es eine große Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Hier sind die GroKo-Verhandler vor der Kohlelobby eingeknickt. Das 2020-Ziel kann nur noch durch die rasche Abschaltung der klimaschädlichen Kohlekraftwerke erreicht werden – die dreckigsten und ineffizientesten zuerst. Der Koalitionsvertrag setzt mit einer Kohle-Kommission und einem Klimaschutzgesetz zwar mittelfristig Instrumente für Klimaschutz, versäumt es aber, die erforderlichen Festlegungen für das Hier und Jetzt zu treffen. Besonders dramatisch zeigt sich dies bei der Energieeffizienz, bei der die vage Strategie nicht zu der erforderlichen Reduktion des Energieverbrauchs führen kann“, sagte Weiger. Kohleausstieg und deutliche Energieeinsparungen seien auch essentiell, um die Klimaziele für 2030 und 2050 nicht zu gefährden.

Mit Blick auf notwendige Konsequenzen aus dem Dieselskandal und die auch klimapolitisch erforderliche Verkehrswende sagte der BUND-Vorsitzende weiter: „Die Fortschritte in einzelnen Bereichen wie dem ÖPNV oder dem Ausbau der Bahn können nicht darüber hinwegtäuschen, dass mutige Reformen auch im Verkehrsbereich fehlen. Statt den Schutz von Umwelt und Gesundheit zu garantieren, wird weiterhin die Automobilindustrie protegiert und aus der Verantwortung entlassen.“ Zwar finde sich im Koalitionsvertrag der Beschluss, Fahrverbote in Städten zu vermeiden, die hierfür notwendigen Maßnahmen wie die Einführung einer Blauen Plakette und einer verpflichtende Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Autohersteller blieben jedoch aus. Zudem hätten sich die GroKo-Verhandler nicht zum Abbau der staatlichen Dieselförderung und anderer umweltschädlicher Subventionen bekannt, kritisierte der BUND-Vorsitzende.

Auch in den Bereichen Landwirtschaft und Nutztierhaltung bleibe der Koalitionsvertrag – gemessen am Wunsch der Verbraucher, das Ende der Massentierhaltung einzuleiten – weit hinter den Erwartungen zurück und lasse lediglich kleine Fortschritte zu. „Es ist richtig, die nationale Nutztierhaltungsstrategie weiterzuentwickeln, nur hätten die Koalitionäre hier konkret und zeitlich sowie finanziell verbindlich werden müssen. Statt alle tierischen Produkte mit einer verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung nach dem Modell der Eier-Kennzeichnung von 0 bis 3 zu versehen, plant die GroKo offenbar wieder eine Fortsetzung des viel zu laschen freiwilligen Tierwohllabels, das nur wenig Verbesserungen bringt“, sagte Weiger.

Schwach und unverbindlich sei der Koalitionsvertrag auch beim Problem des Insektensterbens, dem die mögliche Koalition mit einem Aktionsplan begegnen wolle, so Weiger. „Das Insektensterben zu stoppen kann ohne den schnellen Ausstieg aus schädlichen Pestiziden wie Glyphosat und den besonders für Bienen gefährlichen Neonikotinoiden nicht gelingen. Skandalös ist, dass der unlauteren und von einer Bevölkerungsmehrheit abgelehnten Wiederzulassung des Pestizids Glyphosat kein verbindliches nationales Ausstiegsdatum entgegengesetzt wird. Wir fordern einen Glyphosat-Ausstieg innerhalb der nächsten drei Jahre. Der künftigen Bundesregierung muss ein Strategiewechsel hin zu einer Agrarpolitik gelingen, die und Insekten schützt, statt Agrarwüsten und Megaställe weiter zu fördern“, so der BUND-Vorsitzende.

Ein vernichtendes Urteil fällt der BUND auch hinsichtlich der Vereinbarung zum Abbau von Bürgerrechten unter dem Vorwand einer Planungsbeschleunigung von Infrastrukturprojekten. „Die geplante Einschränkung von Mitwirkungsrechten und Umweltgesetzen ist empörend und demokratieschädlich. Damit will die Bundesregierung von ihren eigenen Planungsfehlern ablenken. Gute Planung und Beteiligung in einem verbindlichen Verfahren ist das effektivste Mittel zur Beschleunigung“, sagte Weiger.

www.bund.net
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NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.)

NABU zur GroKo: Erste Schritte in Richtung naturverträgliche Landwirtschaft – bei Klima und Verkehr erschreckend mutlos

Miller: Schutz von Insekten und Wildnis erstmals politische Ziele in Deutschland

Berlin – Der NABU bewertet den neuen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD als ambitioniert im Naturschutz, aber mutlos in der Verkehrs- und Klimapolitik. So nennt die GroKo erstmals den Schutz von Wildnis und Insekten als politische Ziele und verspricht umfassende Programme zu ihrem Schutz. Doch diese löblichen Maßnahmen drohen Stückwerk zu bleiben.

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Union und SPD haben den alarmierenden Zustand unserer Natur offensichtlich erkannt. Das ist gut und war dringend nötig. Die versprochenen Schutzmaßnahmen geben Anlass zur Hoffnung. Was allerdings fehlt, ist ein übergeordneter Plan, der Klima, Infrastruktur und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zusammendenkt. Mit neuen Rekordinvestitionen in Verkehrsprojekte werden weitere Lebensräume zerschnitten und die stiefmütterliche Behandlung des Klimaschutzes wird unsere Ökosysteme stark unter Druck setzen.“

Der NABU begrüßt, dass die Große Koalition – neben dem neuen Wildnisfonds – das Nationale Naturerbe um 30.000 Hektar ausweiten möchte, mehr Flüsse renaturieren und erstmals auch eine Strategie zum Schutz der Moore entwickeln will. Zudem soll der Erhalt der biologischen Vielfalt zur Querschnittsaufgabe aller Politikfelder werden.

Als ermutigendes Zeichen wertet der NABU auch, dass die Große Koalition erste zaghafte Schritte in Richtung einer naturverträglicheren Landwirtschaft unternimmt. So wollen sich Union und SPD für eine Umschichtung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen und die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds einsetzen. „Ob die Bundesregierung Wort hält, muss sie in den kommenden Wochen noch in Brüssel beweisen“, so Miller. Bereits beim EU-Haushaltsgipfel am 23. Februar sollte Bundeskanzlerin Merkel den Naturschutzfonds fordern.

Auch das neue Programm zur Rettung der Insekten begrüßt der NABU sowie das Bekenntnis zum Ausstieg aus Glyphosat. „Der Glyphosat-Ausstieg droht allerdings auf die lange Bank geschoben zu werden, weil ein konkretes Datum fehlt. Zudem vermissen wir eine Strategie zur Verringerung aller Pestizide“, so Miller. Pestizide sollen künftig sogar noch schneller zugelassen werden – ohne ihre Auswirkungen auf die ausreichend zu prüfen.

Große Versäumnisse sieht der NABU in der Energie- und Klimapolitik sowie im Verkehrsbereich. „Es spricht Bände, dass die GroKo die Klimaziele bis 2020 nur ‚so schnell wie möglich‘ erreichen will. Mit einer neu dazu einzuberufenden Kommission erkauft sie sich Zeit, die nicht da ist. Dabei liegen alle notwendigen Schritte längst auf dem Tisch“, kritisierte der NABU-Bundesgeschäftsführer. Positiv sei, dass bis 2030 immerhin eigene Klimaziele für alle Bereiche kommen. „Doch dieses Bekenntnis ist pure Augenwischerei, wenn Union und SPD die Energieeffizienzstandards für Neubauten einfrieren“, so Miller. Er mahnte an, den Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin zwingend naturverträglich zu gestalten.

In der Verkehrspolitik halten Union und SPD unverändert stur am Status Quo fest und zeigen sich erschreckend mutlos. Besonders kritisch bewertet der NABU die Beibehaltung umweltschädlicher Subventionen für Diesel sowie das Fehlen strengerer CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw. Den Plan der künftigen Regierung, die Beteiligung der Bürger bei Infrastruktur-Projekten – wie dem Bau von Autobahnen – zu beschränken, lehnt der NABU als indiskutabel ab.

Alarmierend sei auch das Fehlen einer Strategie zur nachhaltigeren Nutzung von Ressourcen. So werden Digitalisierung und Energiewende die Nachfrage nach Rohstoffen weiter intensivieren, gleichzeitig muss ihr Pro-Kopf-Verbrauch deutlich sinken. Zur Lösung dieses Konflikts bieten Union und SPD keinerlei schlüssige Konzepte an – genauso wenig wie für eine ökologische Beschaffungsrichtlinie in Ministerien und Behörden.

Auch die Pläne von Union und SPD, die Bestände des Wolfes reduzieren zu wollen, kritisiert der NABU scharf. „Mit dieser unsäglichen Forderung lässt die Bundesregierung Landwirte und Schäfer im Stich“, so Miller. Unlängst erst hatte Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt in Brüssel eine klare Abfuhr erhalten als er versuchte, den Schutzstatus des Wolfes aufzuweichen. „Statt auf solch sinnlose und populistische Forderungen wie die Reduzierung von Wölfen zu setzen, hätte die Bundesregierung den Weidetierhaltern endlich helfen müssen, ihre Herden besser zu schützen. Das haben das Bundeslandwirtschaftsministerium und Herr Schmidt jahrelang verschlafen – und es nun erneut versäumt, ihrer Verantwortung für Nutztierhalter gerecht zu werden“, sagte Miller.

Zu denken gegeben habe den Naturschützern auch, dass Union und SPD die globalen nachhaltigen Entwicklungsziele der UN zunächst nicht berücksichtigt hatten. „Dass sie jetzt [prominent] im Koalitionsvertrag stehen, ist gut. In wieweit sie aber tatsächlich zur Richtschnur des Regierungshandelns werden, werden wir genau beobachten“, so Miller.

www.nabu.de
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VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz

Deutschland will Spitzenreiter im Tierschutz werden:
Koalitionsvertrag weder ambitioniert, noch zukunftsweisend

Berlin / Hamburg, 7. Februar 2018 – Die Stiftung VIER PFOTEN kritisiert den heute von CDU/CSU und SPD beschlossenen Koalitionsvertrag hinsichtlich tierschutzrelevanter Themen.

Kristin Karnbach, Politische Referentin von VIER PFOTEN:
„Mit diesem Maßnahmenpaket wird die kommende Bundesregierung sicherlich keine Spitzenposition im Tierschutz einnehmen können. Zukunftsweisende und ambitionierte Maßnahmen von Tier- und Umweltverbänden liegen bereits seit Jahren vor. Warum die Koalitionäre diese nicht in ihren 4-Jahresplan miteinfließen lassen, zeigt, wie unwichtig dringende Tierschutzprobleme für die Beteiligten sind.“

Freiwilliges Tierwohllabel: keine Verbesserungen im Stall
Das von den Koalitionären vorgeschlagene freiwillige Tierwohllabel wird dem Wunsch nach Transparenz nicht gerecht und wird kaum zu Verbesserungen im Tierschutz führen. Deswegen fordert VIER PFOTEN eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Fleisch, Milch sowie für Produkte mit verarbeiteten Eiern, nach dem Vorbild der Frischeier-Kennzeichnung (0-3). Diese verpflichtende Haltungskennzeichnung bietet langfristig nicht nur eine flächendeckende Verbesserung des Tierschutzes in der Nutztierhaltung und Transparenz für Verbraucher, sondern schafft ebenfalls eine Planungssicherheit für Landwirte.

Deutschland bleibt Eldorado für Wildtierzirkusse und Halter von gefährlichen Wildtieren
Besonders im Bereich Wildtiere weist der Koalitionsvertrag große Lücken auf: Seit Jahren werden Probleme in der Wildtier- und Exotenhaltung von der Bundesregierung schlichtweg ignoriert. Wiederholte Apelle der Bundesländer sowie drei Bundesratsinitiativen für ein Verbot bestimmter Wildtierarten im Zirkus wurden beinahe kommentarlos ad acta gelegt. Dabei haben bereits 25. europäische Länder ein solches Verbot oder zumindest Einschränkungen für die Mitführung von Wildtieren im Zirkus auf den Weg gebracht. Warum Deutschland diese Entwicklung weiterhin ignoriert, ist völlig unverständlich.

Heimtiere – unkontrollierter illegaler Welpenhandel
Auch beim Thema Heimtiere haben die Koalitionäre ihre Hausaufgaben nicht gemacht: so etwa das Problem des illegalen Welpenhandels. Hier könnte eine seit Jahren diskutierte Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht dem unkontrollierten Handel Einhalt gebieten, doch diese Maßnahme wird nicht erwähnt.

Kristin Karnbach: „Wer Spitzenreiter im Tierschutz sein möchte, muss zukunftsweisende und ambitioniertere Vorhaben benennen und entsprechend handeln. Das vorgestellte Paket scheint eher ein aufgewärmtes Paket vom scheidenden Minister Schmidt zu sein. Nach dessen Stillstand-Ära erwarten wir vom neuen CDU-geführten Agrarministerium deutlich entschlosseneres Handeln, um das Leben von Millionen Tieren zu verbessern.“

www.vier-pfoten.de