HighTech-Reinigungen im Meer sind beliebt. Ein Bericht zu Reinigungs-Gerätschaften aus dem Jahr 2020 identifizierte 38 verschiedene Technologien, wovon viele aktiv Plastik in den Ozeanen einsammeln. Solche technologieintensiven Methoden richten aber oft mehr Schaden an, als dass sie nützen würden. Ihr Einsatz sollte nur mit grösster Vorsicht und Zurückhaltung.
Was sind Geräte zum Einsammeln von Kunststoffen?
Geräte zur Entnahme von Plastik aus Meeren und Flüssen sind gross (oder dafür konzipiert, gross dimensioniert zu werden). Sie werden oft unbeaufsichtigt zur Reinigung von Gebieten eingesetzt, die von Plastikverschmutzung betroffen sind, aus denen sie Kunststoffe sammeln und entfernen. Es gibt Geräte in vielen Grössen und Formen; allen gemeinsam ist, dass sie auf technologieintensive Methoden (einschliesslich Drohnen, Roboter, Satelliten und andere Hightech-Infrastruktur und -Maschinerie) basieren, um Plastik aus der aquatischen Umwelt zu sammeln und an Land zu bringen.
Warnungen vor einfacher Lösung mittels HighTech-Reinigungen
Im November 2023 hatte OceanCare zusammen mit der Environmental Investigation Agency ein ausführliches Briefing zu Reinigungen im Meer veröffentlicht. Die Schlussfolgerungen dieser Bewertung sind eindeutig: Solche Reinigungen sind auf vielen Ebenen höchst problematisch. Mit unseren Bedenken stehen wir nicht alleine da: Fast zeitgleich, aber unabhängig von unserem Briefing, warnte eine Gruppe internationaler Forscher in einem in der Zeitschrift One Earth veröffentlichten ausdrücklich vor den Irrtümern technologischer Ansätze zur Reinigung von Plastik. In einem im Oktober 2023 veröffentlichten Bericht äusserte auch das dänische Umweltministerium Kritik an solchen Technologien.
Die Bedenken lassen sich im Wesentlichen in vier Kategorien einteilen: Diese Technologien haben (1) erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt, sie sind (2) ineffizient und sehr kapitalintensiv, (3) sie Lösen das Problem hinsichtlich des Umgangs mit den gesammelten Kunststoffabfällen nicht und (4) sie sind anfällig für Greenwashing.
Umweltauswirkungen technischer Lösungen
Reinigungsgeräte unterscheiden kaum bis gar nicht zwischen Abfall und aquatischen Lebewesen und haben erhebliche negative Auswirkungen auf das Ökosystem (Meere oder Flüsse), in dem sie eingesetzt werden.
Auf den ersten Blick scheinen diese Reinigungen eine bequeme Lösung zu sein, um die Gewässer von Plastik zu befreien. In Wirklichkeit können sie der Umwelt, in der sie durchgeführt werden, aber grossen Schaden zufügen und eine Bedrohung für genau die Arten und Ökosysteme darstellen, denen sie angeblich helfen sollen. Ein grosses Problem ist, dass sich Plastik und Meereslebewesen oft in denselben Gebieten ansammeln. Die Reinigungstechnologien unterscheiden jedoch nicht zwischen Wasserlebewesen, organischem Material und Plastik. Dies führt zu einem hohen Beifang und zur Entfernung von wertvollem organischem Material (Holzreste, Pflanzen).
Ausserdem können sich Reinigungstechnologien als klimaintensiv erweisen. Insbesondere schiffsbasierte Reinigungstechnologien stossen durch die Verbrennung von Treibstoff Treibhausgase aus. Eine starke Ausweitung solcher Aufräumarbeiten würde erhebliche Auswirkungen auf das Klima haben. Darüber hinaus sind solche Reinigungsverfahren (vor allem, wenn sie in grösserem Massstab durchgeführt werden sollen) auf erhebliche Mengen an Rohstoffen und energieintensive Infrastruktur angewiesen.
Ineffizient und kapitalintensiv
Bestehende Reinigungstechnologien haben sich als ineffizient und äusserst kapitalintensiv erwiesen. In diesem Sinne ist eine beträchtliche Ausweitung nicht realistisch, ohne dass weitere hohe Kapitalbeträge investiert werden müssten. Das ist Geld, das an anderer Stelle viel besser eingesetzt werden könnte.
Bislang sind Reinigungsprojekte noch sehr klein im Vergleich zum Umfang, den sie bräuchten, um das versprochene Mass an Plastiksammlung zu erreichen. Die Beseitigung der Plastikverschmutzung durch Reinigungen auf globaler Ebene würde eine nie dagewesene Grössenordnung erfordern. Doch schon heute erweisen sich Reinigungs-Aktionen beim Auffangen von Kunststoffabfällen als weit weniger effizient und effektiv, als angepriesen wird. Und das trotz der hohen Investitionen, die in ihre fliessen.
Eine Studie über die Kosten und die Wirksamkeit verschiedener Lösungen zur Bekämpfung der Kunststoffverschmutzung ergab, dass die Kosten der Massnahmen steigen, je weiter unten in der Verschmutzungskette sie ansetzen. End-of-Pipe-Sammeltechnologien erwiesen sich als am wenigsten kosteneffizient, politische Interventionen zur Verhinderung des Plastikverbrauchs sind die kosteneffizientesten Massnahmen.
Was tun mit den gesammelten Kunststoffabfällen?
Bislang hat keines der bestehenden HighTech-Reinigungsprojekte einen glaubwürdigen Plan vorgelegt, wie mit dem gesamten gesammelten Plastikmüll umgegangen werden soll.
Den Kunststoff aus dem Wasser zu holen ist eine Sache, ihn angemessen zu entsorgen eine andere. Die gesammelten Abfälle müssen in die Abfallverwertung gelangen und stellen dort die gleiche Herausforderung dar wie jeder andere Kunststoffabfall auch. Es gilt zu vermieden, dass gesammeltes Plastik durch Missmanagement wieder in die Gewässer und schliesslich in den Ozean gelangt.
Obwohl dies auf der Hand liegt, bleiben die Entwickler von Reinigungs-Technologien insgesamt erstaunlich vage wenn es darum geht, was sie mit den an Land gebrachten Abfällen machen, resp. was sie damit machen würden, wenn ihr Projekt ausgeweitet würde. Um eine erneute Verschmutzung durch gesammelte Kunststoffabfälle zu vermeiden, muss deren Management von Anfang an ein integraler Bestandteil des Reinigungsprozesses darstellen. Noch bevor mit einer Reinigung begonnen wird, sollte völlig klar und transparent kommuniziert werden, was mit dem gesammelten Plastik geschieht, und es muss ein umfassender Abfallbewirtschaftungsplan vorliegen.
Greenwash – Cleanwash
Reinigungs-Projekte sind für grosse Umweltverschmutzer ein praktisches Mittel, um vom eigentlichen Problem abzulenken. Sie bieten eine einfache und offensichtliche Möglichkeit, ihr Engagement für die Lösung der Plastikkrise zu kommunizieren.
Gross angelegte, technologieintensive Reinigungen erfordern beträchtliche Budgets. Das macht sie anfällig für Greenwashing. Sie bieten denjenigen, die sie finanzieren, eine einprägsame Möglichkeit, ihr „grünes Gesicht“ zu zeigen, während sie gleichzeitig ihren Geschäften wie gewohnt nachgehen. Es gilt festzuhalten, dass viele öffentlichkeitswirksame Reinigungs-Aktionen von genau den Unternehmen finanziert werden, die jene Produkte verantworten, die die Plastikverschmutzung überhaupt erst verursachen.
Durch Öffentlichkeitsarbeit und Marketing instrumentalisieren solche Unternehmen ihre Unterstützung für Reinigungs-Initiativen, um der Öffentlichkeit weiszumachen, sie würden ihre Verantwortung für die Lösung der Plastikkrise übernehmen. Indem sie sich auf Instagram-taugliche, cool anmutende Initiativen konzentrieren, versuchen sie, die öffentliche Aufmerksamkeit von konkreten vorgelagerten politischen Massnahmen zur Verringerung der Produktion, zur Förderung der Wiederverwendung und Wiederbefüllung oder zur Verbesserung des Produktdesigns abzulenken. Massnahmen, die viel effektiver sind und die Gesellschaft letztlich weniger kosten, aber nicht mit dem Geschäftsmodell von immer mehr Plastik übereinstimmen.
Empfehlungen
Reinigungsaktivitäten sollten Teil eines umfassenden Konzepts zur Beendigung der Plastikverschmutzung über den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen hinweg sein. Solche Konzepte sollten aber keine schädlichen Reinigungstechnologien fördern. Hochtechnologische, kapitalintensive und Reinigungs-Massnahmen sollten als letztes Mittel betrachtet werden, das mit Vorsicht und nach klar festgelegten Richtlinien in jenen Fällen angewandt werden kann, in denen die Notwendigkeit einer solchen Reinigung eindeutig deren Nachteile überwiegt. Etwa in Gebieten, in denen die Ansammlung von Kunststoffabfällen derart gross ist, dass sie ein sinnvoll funktionierendes Ökosystem praktisch verunmöglicht. Oder wenn die von der Plastikverschmutzung ausgehenden Risiken für die lokale Bevölkerung, die biologische Vielfalt, die Gesundheit, die Sicherheit usw. dringende Massnahmen erfordern.
Entsprechende Richtlinien sollten sich auf eine umfassende Bewertung der Umstände stützen, unter denen die Reinigungs-Technologie eingesetzt werden soll. Sie sollten auf der Grundlage solider Kriterien entwickelt und unabhängig von Technologieanbietern und -anwendern überprüft werden und eine transparente Berichterstattung zu Reinigungs-Technologien (einschliesslich der Finanzierung) vorsehen sowie einen detaillierten Plan für die Abfallentsorgung nach der Sammlung fordern. Und vor allem sollten sie potenzielle Reinigungsmassnahmen in einen umfassenden politischen Entscheidungsprozess einbinden, damit die Plastikkrise an der Wurzel angegangen werden kann, was in erster Linie bedeutet, dass die Produktion und der Verbrauch von Kunststoffen reduziert werden müssen.
OceanCare
www.oceancare.org