Hummeln bestäuben Pflanzen in der Stadt häufiger als auf dem Land. Und das, obwohl sie in der Stadt vermehrt von Parasiten befallen werden, die ihre Lebensdauer verkürzen können. Das hat eine Studie ergeben, die in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig entstanden ist. Die Ergebnisse wurden soeben im internationalen Fachjournal „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht.
Die Forscher wollten verstehen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Landnutzung durch den Menschen und der Bestäubung von Pflanzen durch Wildbienen gibt. Dazu setzten sie zunächst spezielle, in einem Gewächshaus der Feldversuchsstation des UFZ in Bad Lauchstädt gezüchtete Pflanzen an neun verschiedenen Orten in und um Halle (Saale) aus. Diese waren bis zu diesem Zeitpunkt nicht in Kontakt mit der Umwelt gekommen – und damit auch nicht mit Bienen oder anderen Bestäubern. Die neun Orte befanden sich direkt im Zentrum von Halle und in eher landwirtschaftlich genutzten Gebieten außerhalb der Stadt. Während der Blütezeit der Pflanzen protokollierten die Forscher dann, welche Insekten die Pflanzen wie häufig besuchten. Die Wissenschaftler fingen an den Untersuchungsorten aber auch Hummeln ein und untersuchten sie auf zwei Parasiten, die vor allem den Verdauungstrakt von Hummeln befallen und in Folge die Lebenserwartung der Tiere senken können.
Das Ergebnis der beiden Untersuchungen: Pflanzen werden im Stadtgebiet häufiger von Insekten, besonders Hummeln, bestäubt als Pflanzen auf eher landwirtschaftlich genutzten Flächen. Gleichzeitig konnten die Forscher mehr Parasiten in den Hummeln nachweisen, die sie im Stadtinneren gefangen hatten. „Parasiten sind ein normaler Bestandteil von natürlichen Ökosystemen. Insofern ist diese Beobachtung zunächst nichts Schlimmes“, erläutert Panagiotis Theodorou, Hauptautor der Studie und Doktorand am Institut für Biologie der MLU. Obwohl es in städtischen Gebieten also mehr Parasiten gibt, bestäuben die Hummeln nicht schlechter.
„Die Studie zeigt aber auch sehr anschaulich, wie schlecht die Bedingungen für Wildbienen und die von ihnen bestäubten Pflanzen in modern landwirtschaftlich genutzten Gebieten sind“, sagt der Biologe Prof. Dr. Robert Paxton von der MLU, in dessen Arbeitsgruppe die Studie geleitet wurde. Die Bedingungen in städtischen Gebieten seien dagegen wesentlich besser: So züchteten Menschen in städtischen Gebieten etwa sehr viel mehr Blumen, das steigere die Vielfalt der Pflanzen und die Attraktivität für Hummeln – obwohl sie sich in den Städten offenbar vermehrt Parasiten aussetzen. „Dass Hummeln selbst unter erhöhtem Parasitenbefall immer noch hoch effiziente Bestäuber sind, liegt wohl unter anderem daran, dass das Parasiten-Bestäuber-Pflanzen-System sich über Jahrmillionen aneinander anpassen konnte. Die enorme Geschwindigkeit, mit der sich Agrarlandschaften und deren Nutzung ändern, lässt jedoch wenig Spielraum für ähnliche Anpassungen, was wohl einer der Hauptgründe für den momentan beobachteten Rückgang von Wildbienen und anderen Bestäubern ist“, sagt Dr. Oliver Schweiger vom UFZ.
Die hallesche Forschergruppe will nun auch der Frage nachgehen, ob sich die Ergebnisse zum Parasitenbefall bei Hummeln in der Studie auch auf Wild- und Honigbienen übertragen lassen.
Gemeinsame Studie von MLU Halle-Wittenberg, UFZ und iDiv
[DE] 22. Juni 2016 – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
www.ufz.de