Die arktische Meereisausdehnung ist so gering, wie es seit Beginn der Satellitenmessungen für den Monat Juli noch nie beobachtet wurde. Besonders weit hat sich das Eis vor der sibirischen Küste zurückgezogen, so dass die Nordostpassage (auch Nördlicher Seeweg genannt) bereits Mitte Juli eisfrei war. Ein anomales Jahr kündigte sich früh in den Eisdicken und der Drift an. Dazu kommt eine Warmluftzelle, die im Juni für extrem hohe Temperaturen in Sibirien verantwortlich war und sich auch auf die Meereisbedeckung auswirkt: In der russischen Arktis (Sektor von 30 bis 180 °Ost) sind rund 1 Million Quadratkilometer Ozeanfläche weniger von Meereis bedeckt als in den letzten sieben Jahren.
Meereisausdehnung in der Arktis im Juli auf historischem Tiefstand
Besonders geringe Werte vor sibirischer Küste, Nordostpassage bereits im Juli eisfrei
Im Rahmen der MOSAiC-Expedition wurden schon im Winter eine Reihe von ungewöhnlichen Faktoren beobachtet und untersucht. Dazu gehören Eisdrift- und Eisdicken-Anomalien, von denen eine Wirkung auf die sommerliche Schmelze vermutet wird, wie Modellvergleiche jetzt belegen. Und nun kommen eine Reihe weiterer Faktoren hinzu, die ebenfalls dazu beitragen können, dass derzeit der schnellste Rückgang der Eisbedeckung im Monat Juli gemessen wird: An der ostsibirischen Küste war es im Mai und Juni dieses Jahres mehr als 6 °C wärmer als im langjährigen Mittel. Eine Warmluftzelle über dieser Region dominierte die Wetterlage in der Arktis und rief Temperaturen weit über dem langjährigen Durchschnittswert hervor. In der Folge schmolz der Schnee bereits früh im Jahr und die sibirischen Permafrostböden begannen zu tauen. Im Monat Juni sorgte diese Erwärmung darüber hinaus zu einem verstärkten Rückgang der Eisbedeckung in der Laptewsee, der sich mit Beginn des Monats Juli auf die Ostsibirische See ausweitete. Mitte Juli war die Eisbedeckung so weit zurückgegangen, dass sich die Nordostpassage erstmalig im Jahr 2020 vollständig öffnete. Seit Beginn des Monats Juli haben sich die klimatischen Bedingungen verändert: Es liegt eine Hochdruckzelle über der Ostsibirischen- und Tschuktschensee und bedingt überdurchschnittlich warme Temperaturen über der zentralen Arktis (bis zu 10 Grad Celsius über dem Mittelwert). Das stabile Luftdrucksystem über der Arktis begünstigt eine Verstärkung der Warmluftzelle, die zu einem vermehrten Schmelzen der Schneebedeckung auf dem Eis und damit zu einem frühzeitigen Zerfall und Schmelzen des einjährigen Eises führte. Als eisfrei betrachten die Wissenschaftler solche Bereiche, in denen weniger als 15 Prozent des Ozeans von Meereis bedeckt sind.
Die genauere Betrachtung der Eisausdehnung vor der russischen Arktisküste im Sektor 30° bis 180° Ost zeigt nun eine historisch niedrige Eisausdehnung in der Region zu dieser Jahreszeit. „In diesem Sektor der Arktis haben wir jetzt mit rund 1,7 Millionen Quadratkilometern Meereisausdehnung schon 1 Million Quadratkilometer weniger Eis im Vergleich zum Mittelwert der vorherigen sieben Jahre, das entspricht etwa 40 Prozent mehr eisfreiem Ozean“, erklärt Dr. Gunnar Spreen vom Institut für Umweltphysik der Universität Bremen und MOSAiC-Forscher im Meereis-Team. Arktisweit liegt die Meereisausdehnung zurzeit mit 6 Millionen Quadratkilometern 16 Prozent unter dem Mittelwert der Jahre 2013 bis 2019. Ob der Trend bis zum jährlichen Meereisminimum im September so weitergeht, lässt dich derzeit noch nicht vorhersagen, denn die Entwicklung hängt vor allem von den Wetterbedingungen ab.
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