Mücken im Hitze-Härtetest

Evolutionsgeschichte bestimmt Anpassungsfähigkeit an hohe Temperaturen

Frankfurt am Main, 20. November 2012. Ob sich die auch bei höheren Temperaturen noch erfolgreich vermehren, hängt eng mit der Evolution einzelner Populationen zusammen. Der unterschiedliche Umgang mit Hitzestress lässt sich demnach nicht nur dadurch erklären, ob Exemplare dieser Mückenart aus Nord- oder Südeuropa kommen und somit an entsprechende Temperaturen gewöhnt sind. Dies berichteten Wissenschaftler des und Klima Forschungszentrums der Goethe-Universität und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in der November-Ausgabe des Fachmagazins „Oecologia“. Um Effekte des globalen Klimawandels zu beurteilen, sei es deshalb notwendig, sowohl klimatische als auch genetische Daten zu betrachten.

In Süßgewässern in ganz Europa zuhause – die Zuckmücke Chironomus riparius. © B. Valentine

Das Team um Professor Markus Pfenninger, Goethe-Universität und Biodiversität und Klima Forschungszentrum, und Dr. Carsten Nowak, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und Biodiversität und Klima Forschungszentrum, hat in Süd-, Mittel- und Nordeuropa Mückenlarven der weit verbreiteten Zuckmückenart Chironomus riparius gesammelt und im Labor unter unterschiedlichen Temperaturen aufwachsen lassen. Die für den Versuch gewählten 20, 24 oder 28 °C entsprechen in etwa den Durchschnittstemperaturen, denen die Mückenlarven an ihren Ursprungsorten während der Hauptbrutzeit im Sommerhalbjahr ausgesetzt sind. Ergebnis: wie viele Larven letztendlich bei gleicher Temperatur zu Mücken werden, hängt einerseits von der Herkunft der Population ab. Außerdem verringert sich mit steigenden Temperaturen generell der Bruterfolg einer Population, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß.

„Der relative Bruterfolg hängt innerartlich davon ab, wie hoch die durchschnittlichen Sommertemperaturen im Ursprungsgebiet sind“, erläutert Pfenninger. Mückenpopulationen aus Portugal und Südfrankreich, die im Sommer durchschnittlich höheren Temperaturen ausgesetzt sind, waren daher auch im Experiment bei höheren Temperaturen erfolgreichere Brüter. Dies deutet auf eine lokale Anpassung an Klimabedingungen vor Ort hin.

Die Untersuchung des Erbguts der Mücken zeigt darüber hinaus, dass nicht nur die Temperatur im Herkunftsgebiet den Bruterfolg erklärt, sondern auch die Populationsgeschichte. Neben natürlicher Selektion spielt hier der Zufall eine Rolle, denn bei Gründung einer neuen Population durch wenige Individuen sind z.B. oft nicht alle genetischen Varianten vertreten. Durch umweltbedingte Schwankungen der Populationsgröße fallen in den getrennten Populationen zusätzlich manche weg bzw. kommen durch Mutationen hinzu. Allein dadurch unterscheiden sich Populationen einer Art oft in ihren Eigenschaften. Außerdem ist das Ausmaß der vorhandenen genetischen Variabilität von Bedeutung, denn je höher diese ist, desto größer sind Anpassungspotential und Stressresistenz der Population.

Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt, um den Prozess der Klimaanpassung künftig besser zu verstehen. „Die Studie zeigt, dass sowohl Populationsgeschichte als auch das Klima des bisherigen Lebensraums betrachtet werden müssen, um vorhersagen zu können, wie eine Art auf Klimaerwärmung reagieren wird“, resümiert Mitautor Dr. Carsten Nowak. Mücken sind besonders interessante Forschungsobjekte, da sie einen großen Lebensraum besiedelt haben, der – vergleicht man beispielsweise Süd- und Nordeuropa – bis zu 10 Grad Celsius. Temperaturunterschied aufweist. Gleichzeitig wird ihre Körpertemperatur allein durch die Außentemperatur gesteuert. Als nächster Schritt soll das Erbgut der Mücken auf Stoffwechselanpassungen untersucht werden, so dass die Unterschiede zwischen den Populationen auch funktional erklärt werden können.

[DE] 20. November 2012 – Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F)
www.bik-f.de