Bees are exposed to a mixture of pesticides. Uni Halle / Markus Scholz
Bees are exposed to a mixture of pesticides. Uni Halle / Markus Scholz

Insektenmittel auf der Basis von Flupyradifuron und Sulfoxaflor können verheerende Folgen für die Gesundheit von Honigbienen haben. Vor allem in Kombination mit einem gängigen Mittel, das Pflanzen vor Pilzen schützen soll, schädigen die Substanzen die Darmflora der Insekten. Die Substanzen machen sie anfälliger für Krankheiten und lassen sie auch früher sterben. Das zeigt eine neue Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) mit Beteiligung von Mitgliedern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) im Fachjournal Science of the Total Environment. Die beiden Insektengifte galten bei ihrer Zulassung als unschädlich für und Hummeln, mittlerweile ist ihr Einsatz jedoch stark eingeschränkt.

Für die Studie wurden zunächst Honigbienen im Labor gezüchtet, die frei von Umwelteinflüssen waren. „Wir wollten jeden Aspekt im Leben der Bienen kontrollieren – angefangen von der Nahrung bis zum Kontakt mit Krankheitserregern oder Pflanzenschutzmitteln“, sagt der Biologe Dr. Yahya Al Naggar, der das Projekt an der MLU leitete. Mittlerweile ist er an der Tanta University in Ägypten tätig. Alle Bienen erhielten in den ersten Tagen die gleiche Nahrung: Zuckersirup. Anschließend wurden sie in mehrere Gruppen eingeteilt und ihrer Nahrung wurden verschiedene zugesetzt. Eine erhielt Flupyradifuron, eine andere Sulfoxaflor. Beide Substanzen sind in Deutschland als Insektengifte zugelassen, mittlerweile allerdings nur noch für den Einsatz in Gewächshäusern.

Da Pflanzenschutzmittel häufig als Gemisch eingesetzt werden, haben die Wissenschaftler das auch in ihrem Laborversuch berücksichtigt: Die Nahrung zwei weiterer Gruppen wurde nicht nur mit den Insektenschutzmitteln angereichert, sondern zusätzlich mit Azoxystrobin, das seit mehreren Jahrzehnten gegen schädliche Pflanzenpilze im Einsatz ist. Die Konzentration der Substanzen lag dabei immer deutlich unter den gesetzlichen Vorgaben. „Wir haben uns stattdessen an realistischen Konzentrationen orientiert, wie sie etwa in Pollen und im Nektar von Pflanzen enthalten sind, die mit den Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden“, sagt Al Naggar. Eine Kontrollgruppe erhielt weiterhin nur den normalen Zuckersirup.

Für zehn Tage beobachtete das Team, ob und welche Folgen die Substanzen für die Bienen hatten. Dabei zeigte sich, dass die beiden keineswegs unschädlich sind: War die Nahrung mit Flupyradifuron versetzt, starb etwa die Hälfte aller Bienen während des Untersuchungszeitraums, in Kombination mit Azoxystrobin sogar noch mehr. Für das Mittel Sulfoxaflor gab es ähnliche Effekte, es überlebten jedoch mehr Insekten.

Außerdem analysierten die Wissenschaftler die Darmflora der Bienen, also Bakterien und Pilze, die in deren Verdauungstrakt leben. „Das Fungizid Azoxystrobin reduzierte sehr deutlich die natürlich vorkommenden Pilze. Das war zu erwarten, da Fungizide eben zur Bekämpfung von Pilzen eingesetzt werden“, sagt Dr. Tesfaye Wubet vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der auch Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) ist. Über die zehn Untersuchungstage hinweg konnte das Team aber zeigen, dass sich die Zusammensetzung von Pilzen und Bakterien je nach eingesetzten Substanzen sehr stark von der Kontrollgruppe unterschied. Besorgniserregend sei den Forschern zufolge dabei, dass sich das Bakterium Serratia marcescens besonders gut im Verdauungstrakt der behandelten Tiere ausbreiten konnte. „Diese Bakterien sind krankheitserregend und können die Bienengesundheit schädigen. Sie können dazu führen, dass es den Tieren schwerer fällt, Infektionen abzuwehren, und so zum vorzeitigen Tod führen“, so Al Naggar.

Die Studie aus Halle wurde im Labor durchgeführt, um möglichst alle Einflüsse von außen auf die Bienen auszuschließen. Ob in der Natur ähnliche Ergebnisse zu finden sind, lässt sich daher nicht mit Gewissheit sagen. „Es könnte sein, dass die Effekte noch dramatischer auftreten würden – oder dass es den Bienen gelingt, die negativen Folgen ganz oder zumindest teilweise zu kompensieren“, so Wubet abschließend. Das Team fordert deshalb, vor der Zulassung neuer Pestizide die Folgen für nützliche Insekten genauer zu erforschen und zum Beispiel auch die Folgen für die Darmflora standardmäßig in die Risikobewertung aufzunehmen.

Die Studie wurde von der Alexander von Humboldt-Stiftung gefördert und im Rahmen des EU-finanzierten Projekts „Poshbee“ unterstützt.

Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
www.idiv.de