Wissenschaftsverbände machen seit Wochen gegen die Reform des Tierschutzgesetzes mobil. Durch geplante Verschärfungen für den Tatbestand der Tierquälerei befürchten sie, dass Forscher:innen zukünftig mit Haftstrafen belegt werden könnten und warnen vor Abwanderung biomedizinischer Expertise aus Deutschland. Sie fordern, gesetzlich zu verankern, dass die Tötung von Tieren, die zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchtet wurden, grundsätzlich legitimiert werden soll. Diese Forderung lehnt der Bundesverband Menschen für Tierrechte ab. Es kann nicht sein, dass Millionen von Tieren pauschal vom Schutzstatus des Tierschutzgesetzes ausgenommen werden. Der Tierrechtsverband schlägt stattdessen vor, den Umgang mit den sogenannten überzähligen Versuchstieren an anderer Stelle zu regeln.
Obwohl der Bereich Tierversuche in der aktuell diskutierten Reform des Tierschutzgesetzes gar nicht neu geregelt werden soll, laufen die Wissenschaftsverbände seit Wochen Sturm gegen das Gesetz und drohen mit dem Ende der biomedizinischen Forschung in Deutschland, wenn das Gesetz in der geplanten Form beschlossen wird. Hintergrund sind Verschärfungen für den Tatbestand der Tierquälerei in Paragraf 17 des Gesetzentwurfs. Die Freiheitsstrafen sollen von drei auf fünf Jahre steigen, wenn die Handlungen beharrlich wiederholt, aus Gewinnsucht begangen werden oder viele Wirbeltiere betreffen.
1,7 Millionen „überzählige“ Versuchstiere
Doch warum fühlen sich die Forscher:innen durch schärfere Strafen bedroht? Hintergrund ist eine Rechtsunsicherheit bei den sogenannten überzähligen Versuchstieren. Im Jahr 2022 waren 1,73 Millionen Tiere tatsächlich Teil eines Tierversuchs. Gleichzeitig wurden fast 1,77 Millionen sogenannte überzählige Tiere gezählt – und getötet. Dies betrifft besonders die Zucht von gentechnisch manipulierten Tieren, sogenannte transgene Tiere. Laut Wissenschaft ließen sich überzählige Versuchstiere auch bei bester Versuchsplanung und sorgfältigstem Zuchtmanagement nicht gänzlich vermeiden, da bei der Zucht regelmäßig Tiere entstünden, die aufgrund verschiedenster Kriterien im geplanten Tierversuch nicht eingesetzt werden könnten.
Tötung widerspricht Tierschutzgesetz
Dies widerspricht jedoch Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes. Danach darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Um diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen, fordern die Forscher:innen jetzt, im Gesetz zu verankern, dass eine Tötung von zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchteten Tieren einen wichtigen Grund darstellt.
Umgang mit „überzähligen Versuchstieren“ reglementieren
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte lehnt die Forderung der Wissenschaftsverbände in dieser Form ab. Es kann nicht sein, dass Millionen von Tieren praktisch pauschal vom Schutzstatus des Tierschutzgesetzes ausgenommen werden. Auf der anderen Seite sieht der Tierrechtsverband die Notwendigkeit, den Umgang mit den sogenannten überzähligen Versuchstieren an anderer Stelle zu reglementieren. Dieser Hinweis sollte im Gesetz aufgenommen werden, um die erregten Gemüter zu beruhigen.
Vorrang für tierfreie Verfahren
Dies entlässt die Forscher:innen jedoch nicht aus der Verantwortung, immer zuerst zu prüfen, ob sich eine Fragestellung nicht ohne den Einsatz von Tieren beantworten lässt. Wenn dies nachweislich nicht der Fall ist, muss bereits bei der Zucht der Tiere darauf geachtet werden, dass ihre Zahl auf das absolut unerlässliche Maß beschränkt wird. Gentechnisch veränderte Versuchslinien sollten beispielsweise nicht auf Vorrat gehalten werden. Zudem sollte in jeder Tierversuchskommission ein Statistiker überprüfen, ob die beantragten Tierzahlen realistisch sind. Auch muss die Vermittlung überzähliger Versuchstiere ermöglicht werden. Die EU-Tierversuchsrichtlinie und die Tierschutzversuchstierverordnung sehen ausdrücklich vor, dass den Tieren nach Ende der Versuche ein Weiterleben ermöglicht wird.
Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
www.tierrechte.de