Die anhaltende Flüchtlingswelle nach Europa wird vorrangig mit kriegerischen Konflikten begründet. Doch immer häufiger werden diese als Folge von Naturveränderungen gewertet.
Dass eine wirksame Armutsbekämpfung und Transformation zu einer nachhaltigen globalen Gesellschaft nur Erfolg haben kann, wenn die natürlichen Ressourcen und Ökosysteme geschützt und nachhaltig genutzt werden, haben die Vereinten Nationen in ihren Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) verankert. Denn bei einem rasanten Bevölkerungswachstum gerade auf dem afrikanischen Kontinent konkurrieren immer mehr Menschen um ohnehin schon knappe Ressourcen. Über die Probleme und Chancen der Menschen vor Ort und die Möglichkeiten unserer Politik, künftige Fluchtwellen zu vermeiden, sprachen wir im NeFo-Interview mit der Politologin Dr. Diana Hummel und dem Ökologen Professor Norbert Jürgens.
„Die überzogene Darstellung von Abwanderungsbestrebungen als Sicherheitsbedrohung geht an der Realität vorbei“, meint die Politikwissenschaftlerin Dr. Diana Hummel vom Institut für sozial-ökologische Forschung ISOE in Frankfurt. Sie leitete das Projekt MICLE – Klimawandel, Umweltveränderungen und Migration, bei denen u.a. großangelegte Befragungen zu den Motiven der Migration in der Sahelzone durchgeführt wurden.
Nur ein geringer Anteil der Menschen in ihrem westafrikanischen Untersuchungsgebiet versuche, nach Europa zu kommen. Denn Migration sei in dieser Region nicht das letzte Mittel sondern eher eine anerkannte Tradition, der Großteil der Migranten bliebe auf dem Kontinent und kehre nach Möglichkeit zurück, so die Erfahrung der Politologin.
Der Begriff „Umwelt- oder Klimaflüchtling“ sei auch problematisch, da Kausalzusammenhänge schwer nachzuweisen und nie alleinige Auslöser seien. „Umweltveränderungen spielen dann eine Rolle, wenn sie bereits existierende Verwundbarkeiten verstärken“, meint Hummel. Die Studien ergaben, dass klimatische und ökologische Faktoren an Bedeutung zunehmen, je stärker der Lebensunterhalt der Menschen von der Landwirtschaft abhängt und schwieriger alternative Einkommensquellen verfügbar sind.
„Nur eine nachhaltige ländliche Ökonomie und Gesellschaftsform kann die Trends zur Landflucht, zur Urbanisierung und zur internationalen Migration stoppen“, sagt Prof. Norbert Jürgens von der Universität Hamburg. Der Biodiversitätsforscher ist Sprecher des Projektes „The Future Okavango“, das modellhaft für den gesamten Kontinent Methoden entwickeln soll, wie die Menschen die natürlichen Ressourcen nachhaltig nutzen und dauerhaft erhalten können.
Der Drang nach einer modernen Lebensweise steigere den Bedarf an Cash für Waren, die nicht selbst erzeugt werden könnten. Deshalb würden derzeit die natürlichen Ressoucen über den eigenen Bedarf hinaus in Waren umgewandelt, etwa würde verstärkt Wildfleisch gejagt und angeboten und die Wälder für Holzkohle abgeholzt. Dabei seien diese die wichtigsten Wasserspeicher der Region. Der Klimawandel und ein zunehmender Zuzug in die Okavangoregion, gepaart mit Landgrabbing internationaler Konzerne könnte künftig zu Konflikten um die Ressourcenverteilung führen. Umso wichtiger sei es, mit den Menschen Methoden zu entwickeln und an die Hand zu geben, mit denen landwirtschaftliche Erträge gesteigert werden könnten, ohne das Potenzial der Ökosysteme zu zerstören.
Von daher sei das Entwicklungsziel sinnvoll, in dem die Vereinigten Staaten seine Mitgliedstaaten ermutigen, kleine und mittelständige Unternehmen zu fördern. Auch die Wissenschaft spiele hier eine wichtige Rolle, beispielsweise bei der Schaffung von nachhaltigen Demonstrationsprojekten mit Leitbildfunktion, sagt Jürgens.
[DE] 24. September 2015 – NeFo Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ)www.biodiversity.de