WWF: UVP-Novelle ist Rückschritt für den Umweltschutz in Österreich

Willkürliche Schikanen für Umweltvereine europarechtswidrig – Umweltministerin schwächt Umweltschutz, um kritische Großprojekte möglichst ohne Auflagen durchboxen zu können

Österreichisches Parlament © Parlamentsdirektion / Peter Korrak

Wien, am 25. Oktober 2018. Die heute im Nationalrat vorgelegten Abänderungsanträge der schwarz-blauen Koalition bestätigen den skandalösen Frontalangriff auf den Umweltschutz in . „Ausgerechnet die Umweltministerin tut alles dafür, damit kritische Großprojekte in Zukunft schlechter geprüft werden können als bisher. Das ist gerade mit Blick auf die vielen ökologischen Krisen und die Nachhaltigkeitsverpflichtungen Österreichs ein fahrlässiger Kurs“, sagt Hanna Simons, Leiterin Naturschutz beim WWF Österreich. „Wesentliche Teile der Novelle sind eine Auftragsarbeit für Wirtschafts- und Industrielobbys. Daher werden demokratiefeindliche Hürden für Umweltschützer erfunden und wichtige Begutachtungsfristen gekappt. Zusätzlich schwächt die Koalition jetzt auch noch den Rechtsschutz bei Umweltprüfungen, was ebenfalls europarechtswidrig sein könnte“, warnt Simons.

Besonders kritisch: Anerkannte Umweltorganisationen, die weniger als 100 Mitglieder haben, will die Bundesregierung künftig aus Umweltverfahren ausschließen. Allerdings ist eine derart starre Hürde europa- und völkerrechtswidrig, wie ein ÖKOBÜRO-Gutachten gezeigt hat. Denn andere Möglichkeiten die Kompetenz und das Engagement nachzuweisen wie in Schweden, fehlen bislang im UVP-Gesetz. Wer dennoch von der Übernahme des „schwedischen Modells“ spricht, betreibt eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Dazu kommen ungelöste Datenschutzprobleme. „Diese Novelle bringt keine schnelleren Verfahren, sondern massive Rechtsunsicherheit für die Wirtschaft. Denn anerkannte Umweltorganisationen, die zu Unrecht aus der UVP ausgeschlossen werden, würden wohl den Rechtsweg beschreiten, was zum nachträglichen Aufrollen der betroffenen Verfahren führen könnte“, erwartet Simons einen Bumerang-Effekt für die Besteller des Gesetzes.

Umweltverfahren weit schneller als behauptet – Projektbetreiber & gefordert
„Anstatt die Qualität der UVP nachhaltig zu verbessern, werden Umweltorganisationen schikaniert und zum Sündenbock für die Versäumnisse von Politik und Projektbetreibern gemacht“, kritisiert Simons das Ziel der Novelle und verweist dazu auf die Fakten im UVP-Bericht. Denn vom Zeitpunkt der öffentlichen Auflage – also sobald die Projektwerbenden ihre Unterlagen komplett vorgelegt haben – bis zum Bescheid der UVP-Behörde liegt die Verfahrensdauer im Mittel bei nur sieben Monaten, ab dem vorherigen Genehmigungsantrag bei 13,3 Monaten. „Das heißt: Die größten Bremsen können die Projektbetreiber selbst lockern, indem sie von Beginn an bessere Dokumente vorlegen. Zusätzlich brauchen die zuständigen Behörden mehr Amtssachverständige und müssen alle Beteiligten enger mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um Konflikte schon im Vorfeld zu entschärfen. Genau dafür gibt es strategische Umweltprüfungen“, erläutert Simons.

Mehr Bürokratie statt weniger
Im Schatten des Angriffs auf die NGO-Beteiligung etabliert die Koalition auch einen Standortanwalt als eigene UVP-Partei und nimmt für dessen Kleinreden von Umweltanliegen sogar mehr Bürokratie in Kauf. In diese Kategorie fällt auch die zusätzliche Überprüfung der Anerkennungskriterien von anerkannten Umweltorganisationen alle drei Jahre. Schon jetzt hätte die Umweltministerin jederzeit die Möglichkeit, eine Prüfung einzuleiten. Daher ist die neue Verpflichtung nur eine weitere Schikane, die entgegen den Versprechungen des Regierungsprogramms bei allen Beteiligten mehr Bürokratie schafft. Höchst problematisch ist auch die Kürzung öffentlicher Auflagefristen für Projekte. Aufgrund des Umfangs der Unterlagen werden damit Verfahrensrechte eingeschränkt. „Wenn neue begründete Umweltprobleme auftauchen, müssen diese vernünftig bewertet werden können. Ansonsten werden genau jene Projekte durchgeboxt, die entweder aus guten Gründen an gesetzlichen Kriterien gescheitert oder nur mit hohen Auflagen genehmigt worden wären“, sagt Simons.

Aarhus-Konvention wird nur lückenhaft umgesetzt und fällt hinter Höchstgerichts-Urteile zurück
Anders als von der Umweltministerin dargestellt ist auch die im Gesetzespaket verankerte Umsetzung der vor über 20 Jahren (!) unterzeichneten Aarhus-Konvention kein großer Wurf. Denn aufgrund mehrerer Höchstgerichts-Urteile haben anerkannte Umweltschutzorganisationen de jure bereits jene Umweltrechte wie sie in anderen EU-Ländern längst Standard sind. Mit ihrer aktuellen Schmalspur-Umsetzung schränkt die Umweltministerin diese Rechte jetzt wieder ein. „Das wird in der Praxis erneut zu Rechtsunsicherheit führen und erfüllt die Aarhus-Konvention nur unzureichend“, kritisiert WWF-Vertreterin Simons. Weit besser wäre ein eigenes Gesetz zur NGO-Beteiligung, das nach dem Vorbild Deutschlands für alle Umweltbereiche gilt und somit eine einheitliche Rechtsprechung ermöglich.

WWF Österreich www.wwf.at